Solidarisch Landwirtschaften in Tirol

Kooperation statt Konkurrenz

Seit zwei Jahren wirtschaften wir nun gemeinsam mit unseren Ernteteiler*innen in Innsbruck und Umgebung. Haben in überbetrieblicher Kooperation die Solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) ErdApfel – C’est LaWi gegründet und es ist ein Erfolg. Ein Erfolg, der sich in der konstant steigenden Zahl an Ernteanteiler*innen zeigt, am wertschätzenden Feedback der Menschen zu unseren Produkten und an der Treue, die sie uns halten. Zwei Betriebe sind dabei: Bio-Obstbäuerin Regula Imhof hat den ausschlaggebenden Impetus geleistet, Bio-Gemüsebauer Thomas Huber war sofort begeistert und ich, weder Hoferbin noch heiratswillig und keine Millionen besitzend, um in Tirol mit seinen verrückten Grundstückspreisen an ein kleines Sacherl zu gelangen, kann auf den Flächen der Obstbäuerin anbauen und mich so einbringen. Zusammen sind wir imstande, ein äußerst umfangreiches Sortiment anzubieten.

Wie funktioniert’s?

Die Ernteteiler*innen zahlen pro Anteil 45€/Monat. Es kann gewählt werden zwischen Obst und/oder Gemüse und/oder Raritäten. Ein Anteil steht für einen Haushalt (2 Erwachsene, 2 Kinder), halbe Anteile gibt es ebenso. An 30 Terminen können die Produkte abgeholt werden, im Sommer wöchentlich im Winter monatlich. Die Lebensmittel werden im Gesamten geliefert, es nehmen sich alle dem eigenen Anteil entsprechend. Mensch ist für ein Jahr dabei.

Worin liegen die Vorteile?

Die Esser*innen sehen uns das ganze Jahr hindurch und erleben Höhen und Tiefen des Erntejahres mit. Direkter und konstanter Austausch legen so den Grundstein für gelebte und sich festigende Kundenbeziehungen. Bei jährlichen Betriebsbesuchen und Erntedankfesten kommen die Menschen auf die Felder und Obstanlagen, es wird gezeigt, gefragt, gestaunt und danach gegessen, gelacht und zusammen gehockt. Ein grundlegendes Verständnis für die Herausforderungen der Betriebe, und davon gibt es allein durch den Klimawandel genug, kann derart vermittelt werden. Die monatlichen Einzahlungen der SoLaWi entsprechen einem landwirtschaftlichen Grundeinkommen, vor allem im Frühjahr bei vielen Ausgaben und Arbeit eine enorme Erleichterung! Das Kernstück der SoLaWi ist das geteilte Risiko: sollten etwa Extremwetterereignisse Teile der Ernte vernichten, fließen die Beiträge der Ernteteiler*innen weiter und der Bauer, die Bäuerin, steht mit dem Verlust nicht allein da. Die Kund*innen sagen uns zudem, sie finden den Überraschungsaspekt toll – im Vorhinein ist ja nicht bekannt, was geliefert wird. Bis dato unbekanntes Gemüse lädt in Folge zu Recherche und Kochexperimenten ein, diese Erfahrungen werden dann bei späteren Abholungen rege ausgetauscht. Unsere Produkte schmecken ihnen zudem besonders und das zu hören, tut einfach gut. Kurze Transportwege und wenig Verpackungsmüll sind ebenfalls zentrale Aspekte.

Es ist klar, dass dieses Konzept nicht für jeden landwirtschaftlichen Betrieb attraktiv klingt und umsetzbar ist. Die hier involvierten Höfe haben weitere Standbeine in der Direktvermarktung wie ab Hof-Verkauf, Foodcoops und Bio-Bauernläden, die beliefert werden. Doch der Aufbau eines gemeinsamen lokalen Absatzkreises, entkoppelt von üblichen Marktmechanismen, birgt großes Potential und das Interesse der Menschen ist definitiv vorhanden. Der Frust über eine Lebensmittelproduktion, die auf intensivem Pestizid- und Kunstdüngereinsatz, unwürdigen Arbeitsbedingungen von Erntehelfer*innen und nicht kostendeckenden Preisen für die Bäuerinnen und Bauern beruht, war vor der Corona-Krise bereits zu spüren und tritt nun erst recht zu Tage. Diese derzeitige Situation kann also auch die Chance bieten, neue Wege zu gehen.

Barbara Czerny

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